Resonanzen

Resonanzen - Ein "Work in Progress" Blog

Dieses Jahr darf ich mit der Kulturkirche St Johannis in Göttingen ein Projekt zum Jahresthema "Resonanzen" verwirklichen. In diesem Blog nehme ich euch mit auf die Reise.

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Das nächste Kapitel

Coming soon :)

Ich bin ein Platzhalter

02
Was machen Sie da eigentlich?

Mein erster Offener Werkraum in St Johannis

01
Und wenn niemand kommt?

Ein Chor im Keller

00
Resonanzen: Das Projekt

Grundlegendes über das Projekt und diesen Blog

02 - Was machen Sie da eigentlich?

Mein erster Offener Werkraum in St Johannis

Gestern war ich in St Johannis und habe den ersten offenen Werkraum gemacht. 

Offener Werkraum, 
was soll das sein? 


Pastorin Anna Klassen und ich waren von Anfang an der Meinung, dass es schön wäre, wenn ich regelmäßig vor Ort arbeiten könnte, um die Menschen in der Kirche am Entstehungsprozess teilhaben zu lassen. Schließlich geht es bei dem ganzen Ding auch immer um die Menschen; die Resonanz der Kirche entsteht durch Menschen, klingt in den Menschen, kommt bei den Menschen der Stadt an.

 

Ich persönlich finde es auch total großartig, in dem Raum arbeiten zu können, für den das Werk gedacht ist. 

Ich kann rein technisch besser darüber nachdenken, was passt und wie ich das umsetzen kann, wenn ich den Raum sehe. Aber auch, wenn das jetzt vielleicht etwas esoterisch formuliert ist: Ich kann das Kunstwek dort auch besser fühlen. Es entsteht nicht nur in meinem Kopf, sondern wächst auch unabhängig von bewussten Denkprozessen, wenn ich spüre, wie der Raum 'schwingt'.


Natürlich ist es trotzdem das Gehirn, das arbeitet, auch das berühmte 'Bauchgefühl', die blitzartige geniale Idee oder die schöpferische Inspiration entstehen in unseren Nervenzellen, aber nicht alles davon ist eben bewusst gesteuert. Die Gedanken und Ideen, die dann aus dem 'Unterbewussten aufsteigen, muss man dann natürlich noch (aus-)sortieren – und damit komme ich auch zu dem Problem, das ich gestern hatte. Davon erzähle ich gleich, aber erst noch ein paar Worte zum Setting:


Ich finde es gar nicht leicht, wenn mir jemand beim Arbeiten auf die Finger guckt. 

Ich habe dann oft das Gefühl, dass direkt bewertet wird, ob es gut oder schlecht ist, was ich gerade tue. Und ein Bild fängt nicht vielversprechend an, geht dann gut und zügig weiter und ist schließlich fertig und natürlich atemberaubend und wunderbar. 

Nein, meine Sachen gehen zwischendurch fast zwangsläufig durch mindestens eine wirklich schrecklich hässliche Phase! Ich weiß das mittlerweile und versuche mich dann immer zu beruhigen 'das ist normal, du kannst es noch ändern, einfach weitermachen, das wird schon', aber trotzdem entstehen dann immer wieder riesige Zweifel an meinem künstlerischen Schaffen und ich möchte dann Pinsel und Farben hinwerfen und ganz weit weglaufen. Das ist nicht einfach – und es ist noch schwieriger, wenn einem jemand dabei zusieht :D


Deswegen habe ich erstmal nur zugesagt, in St Johannis öffentlich an dem Werk LUNGE („...und erfüllte das ganze Haus“) zu der großen Orgel zu arbeiten. Das ist im Unterschied zu den anderen beiden bildnerischen Werken nicht figurativ, sondern abstrakter Natur -- und Zuschauende können Fehler nicht so leicht erkennen.

 

Ich arbeite dabei mit heißem Wachs und Pigmenten auf Baumscheiben bzw Astscheiben. Ich habe also einen Klapptisch, einen hitzebeständigen Rollwagen und eine Abdeckung für den Boden sowie das ganze Wachs und Zubehör: Heizplatten und Heißluftpistole, Töpfe, Pinsel mit Naturborsten (Synthetik würde schmelzen), Backpapier zum Unterlegen und so weiter. 

Und dann fängt man halt an. :)


Es kommen immer wieder Leute in die Kirche, um zu gucken. Die ehrenamtlichen Mitarbeitenden, die die Kirchenöffnung am Laufen halten, kümmern sich um die Gäste mit Informationen zum Kirchengebäude und zum Gemeindeleben. Sie zeigen den Weg zu den Toiletten, verkaufen Postkarten und Marmelade oder plaudern auch einfach ein bisschen mit den Menschen - interessanterweise eher nicht, wenn diese hereinkommen, sondern eher, wenn wenn sie sich verabschieden. Einige Menschen scheinen dann ein Bedürfnis zu haben, sich mitzuteilen darüber, wie die Kirche auf sie gewirkt hat, andere wechseln ein paar persönliche Worte zum Abschied, weil sie nun eine kleine Verbundenheit fühlen mit dem Ort, selbst wenn sie nur Unterschlupf vor einem Regenschauer gesucht haben. 
 

Wie schön, dass die Ehrenamtlichen das möglich machen!


Ich habe gestern drei von ihnen kennengelernt und habe im Gespräch mit ihnen und auch mit den Leuten, die in meine Ecke kamen, festgestellt, dass es überhaupt gar nicht einfach ist, eine kurze und leicht verständliche Antwort auf die Frage zu finden „Was machen Sie da eigentlich?“


Da muss ich anfangen zu erklären, was eine Kulturkirche ist, was das Thema Resonanz bedeutet, wie mein Projekt insgesamt gedacht ist, sowohl inhaltlich als auch in der künstlerischen Umsetzung und wann und wie es fertig ist. Für nächstes Mal muss ich auf jeden Fall Handzettel da haben, wo der ganze Hintergrund draufsteht, das kann man unmöglich in fünf Minuten erklären. (Außerdem langweile ich mich, wenn ich mir selber zuhören muss, wie ich immer wieder dasselbe erzähle – deswegen habe ich ja damals das Lehramtsstudium abgebrochen)
:D

 

Und dann natürlich die Fragen ganz konkret zu dem, was ich gerade tue. Ist das heißes Wachs? Ist das nicht viel zu weich nachher, schmilzt das nicht aus Versehen, wenn die Sonne scheint? Wie kommt die Farbe da rein? Warum Holzscheiben? Was ist das da für ein Ding? Warum machen Sie denn da jetzt noch eine Schicht Wachs drauf, das war doch schön so?!?

 

Diese Fragen beantworte ich supergerne, das macht total viel Spaß. Wir reden doch alle gerne über das, was wir lieben und freuen uns, wenn jemand fragt.

Ich hab dann aber leider am Ende des Tages gemerkt, dass ich drei Fehler gemacht habe...

 

1. 
Keine Handzettel dabei zu haben.

 

2. 
Vor Ort von null anzufangen; ich hätte etwas vorbereiten müssen. Die Holzscheiben werden beidseitig mit flüssigem Wachs behandelt, dabei bekommt die Rückseite nur eine Schicht und die Vorderseite wird in mehreren Schichten aufgebaut, die jeweils kurz mit dem Heißluftfön mit einander verschmolzen werden müssen, sonst kann das Ganze am Schluss bröseln und abplatzen. Und das rohe Holz ist superdurstig!

Bevor ich überhaupt eine erste Grundlage habe, bei der das Wachs nach dem Erkalten auf der Oberfläche liegen bleibt, schlürft das Holz mehrere Schichten einfach so weg. Das ist kein Problem und kann ein sehr meditatives Arbeiten sein – aber für Zuschauende ist das natürlich super langweilig: Da passiert überhaupt nichts, die fönt eine Stunde lang Holz!

Ich habe dann abends noch, als die Kirche schon zu war und ich alleine da (Leute, das ist voll schön!) anderthalb Stunden Holzscheiben imprägniert und geföhnt als Vorbereitung für den nächsten Offenen Werkraum. Da kann ich dann direkt mit Farbe loslegen.

 

3.
Irgendwie hatte ich dann so einen Druck im Nacken, ich müsse den Leuten jetzt auch mal was bieten nach dem ganzen Holzgeföhne (was totaler Quatsch ist, erstens ist das keine Show und zweitens war die Gäste, die mir beim Föhnen zugeguckt haben, natürlich längst weg). Deswegen habe ich mich mit Begeisterung in die Farben gestürzt und abends beim Betrachten der Ergebnisse gemerkt: 

Mist, viel zu bunt. 


Die einzelnen Scheiben sind für sich genommen hübsch, also die meisten wenigstens, aber ich habe vor lauter Konzentration auf die Menschen um mich herum und die jeweilige Scheibe vor mir das große Ganze aus dem Blick verloren. Wenn ich die Scheiben als Ensemble hänge, soll ja ein innerer Zusammenhang, Zusammenklang bestehen und ich habe darauf auch bei der Farbauswahl jeweils geachtet, dass sie grundsätzlich stimmig kombinierbar sind - aber die Einzelteile sind gerade viel zu laut. Das ist wie bei einem Chor: Die einzelne Stimme soll nicht herausstechen, das Gesamte soll harmonisch sein. 


Zum Glück ist es relativ unproblematisch, das durch weitere Schichten zu korrigieren, aber ich ärgere mich natürlich über die verlorene Arbeitszeit. Auch das ist allerdings erfahrungsgemäß immer Teil meiner künstlerischen Arbeit: hart und lange an etwas arbeiten, am Schluss feststellen, dass ich einen Fehler gemacht habe und mich um die verlorenen Stunden grämen. 

Ich sage mir dann, dass es keinen anderen Weg gab, als diesen Fehler zu machen, anders lernt man nicht.

Insgesamt mache ich Fehler natürlich lieber, wenn niemand zuguckt, aber naja :D

Es war trotzdem eine schöne Erfahrung und ich freue mich auf den nächsten Offenen Werkraum und über Leute, die vorbeikommen! Die nächsten Termine findet ihr bald hier auf meiner homepage und auf dem Instagram account von St Johannis.

 

Dieser Blogtext wurde wie immer ohne großen Plan heruntergeschrieben. Ich teile hier einfach spontan meine Gedanken, es ist nur ein kleines, unvollständiges Tagebuch zum Entstehen des Projektes, das hier ohne großartige Korrekturen veröffentlicht wird.
 

01 - Und wenn niemand kommt?

Ein Chor im Keller

Ich habe jetzt angefangen mit den Vorarbeiten – letzte Woche war ich bei der Stadtkantorei. Dort hatte ich im Februar das Projekt kurz vorgestellt und darum gebeten, dass alle sich Gedanken machen sollen, ob sie Teil davon sein könnten. Dienstag war ich dann da und hatte im Keller des Gemeindehauses ein kleines Photostudio improvisiert – einfach zwei Leselampen von zu Hause, eine mit warmem und eine mit kaltem Licht. Das ist für mich am interessantesten beim Malen.

 

Ich saß also im Keller und hatte Angst, dass niemand kommt. Außerdem hatte ich schon einen langen Arbeitstag und eine weitere Besprechung hinter mir und bin oft ängstlich in sozialen Situationen. Ich wusste nicht, was mich erwartet.

 

Die erste Person, die hereinkam, wollte eigentlich nur was holen und sagte rundheraus, dass sie nicht mitmachen würde. 

Konnte ich total verstehen und nahm das überhaupt nicht übel, aber mein Herz sank ins Bodenlose. Was, wenn gar keiner kam?


 Und dann kam der erste. Hallo, ich bin Jana, sagte ich und freute mich. Ich schrieb mir den Namen auf, gab ihm die laufende Nummer 001 (wir erinnern uns, ich muss auf 144 kommen) und fragte ihn nach seiner Lieblingsfarbe. Blau. Und dann nach seinem Lieblingslied.


 Im weiteren Verlauf stellte ich fest: mussten die meisten Menschen schon bei ihrer Lieblingsfarbe überlegen, so warf sie die Frage nach ihrem Lieblingslied völlig aus der Bahn! Ich dirigierte alle Teilnehmenden, sich auf den ausgeleuchteten Platz zu stellen, justierte das Licht noch etwas nach und bat sie, etwas zu singen für das Foto. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass so viele erschrocken sagen würden: 

„Mir fällt überhaupt nichts ein!“ :D


 Ich war erstaunt, immerhin fotografierte ich Menschen, die Singen als Hobby betrieben! Letztlich fanden wir doch jedesmal eine Lösung: Manchmal bot ich an, mitzusingen, einige intonierten kurzerhand das Stück, das zeitgleich oben im Chorsaal geprobt wurde (die Johannespassion) und mehr als einmal sangen wir einfach „Viel Glück und viel Segen“. 

Mit besonderer Freude erinnnere ich mich an den Tenor, der „Dancing Queen“ von Abba sang, an die junge Sängerin, die lachend und enthusiastisch die Marsellaise schmetterte und an die reizende Dame, die „Dat du min Leevsten büst“ trällerte.


 Man merkt schon: Entgegen meiner Befürchtungen kamen sehr wohl Menschen, die mitmachen wollten. 

Erst tröpfchenweise, dann immer mehr, bis ich zeitweise ein wartendes Grüppchen von 15 fröhlichen Chormitgliedern hatte. Sechsundvierzig waren es am Ende des Abends, alle drei Minuten hatte ich einer neuen Person die Hand geschüttelt und in die Augen geblickt – und es war eine Freude, sie alle kennenzulernen! So unterschiedliche Menschen: groß, klein, dick, dünn, alt, jung, mit vielen Haaren und wenig, mit Brille und ohne, zurückhaltende und extrovertierte, einige warfen sich mit Eifer ins Gefecht, aber viele waren auch sehr schüchtern. Manche befürchteten, nicht gut genug auszusehen und andere hatten Angst zu singen.

 

Immer wieder erklärte ich, dass es nicht um Schönheit geht 
bei diesem Projekt, 
sondern um Verschiedenheit und wie in einem Chor aus vielen Stimmen ein Klang wird. 

Es geht nicht um die Oberfläche, um das Aussehen, sondern um die Tiefe, den Klang. Ich versuche ja auch gar nicht, die Menschen möglichst gleichmäßig und glatt auszuleuchten wie in der professionellen Fotografie – im Gegenteil, ich bin interessiert an Falten, Nasen, Lippen und coolen Schatten.


 Auch musste ich immer wieder betonen, dass ich weder Tonaufnahmen mache noch Chorleiterin bin – es sei mir wirklich komplett egal, wie und was sie sängen, es dürfte auch gerne leidenschaftlich falsch gesungen werden.

 

So traten sie also einer nach dem anderen in bisschen nervös ins Lampenlicht und waren erstaunt, als nach drei Minuten schon alles vorbei war. Und wie süß die einfach alle sind! Der schönste Moment war eigentlich, als die Person vom Anfang, die direkt gesagt hatte, dass sie nicht dabei sein wolle, noch einmal kam und doch mitmachen wollte. 

Dir ein ganz besonderes Dankeschön!


 Ich habe nun ein Tabellendokument erstellt, in dem alle mit laufender Nummer, vollem Namen, Lieblingsfarbe und dem gesungenen Lied vermerkt sind. Ich wurde übrigens mehrfach gefragt, warum ich das Lied notiere: Das weiß ich selbst nicht! Ich wollte die Information einfach nicht verloren gehen lassen und habe den Gedanken, das Lied jeweils auf die Rückseite des Portraits zu schreiben. Vielleicht auch nicht, vielleicht etwas anderes, mal sehen.


 Die Fotos werde ich hier aus Datenschutzgründen nicht veröffentlichen, aber ich habe sie gesichtet und mich bei den meisten für ein Bild entschieden. Bei einigen war es schwer, da gab es mehrere wunderbare Schnappschüsse, da habe ich die Entscheidung auf später vertagt. 

Aber ich habe jetzt richtig Lust, mit dem Malen anzufangen!

46 Teilnehmende sind toll, aber ich möchte ja 144 und werde noch den ganzen März mit Fotoaufnahmen beschäftigt sein. In der Stadtkantorei, aber auch demnächst mit dem Kinderchor... Das wird bestimmt nochmal ein ganz anderes Erlebnis!

 

Dieser Blogtext wurde wie immer ohne großen Plan heruntergeschrieben. Ich teile hier einfach spontan meine Gedanken, es ist nur ein kleines, unvollständiges Tagebuch zum Entstehen des Projektes, das hier ohne großartige Korrekturen veröffentlicht wird.

00 - Resonanzen: Das Projekt

Grundlegendes zu dem Projekt und diesem Blog

Das hier ist ein WIP-Blog, also ein Work-In-Progress Weblog, also schlicht ein kleines Tagebuch zum Entstehungsprozess.

Ich werde hier spontan und relativ ungefiltertert meine Gedanken niederschreiben, ohne Plan und ohne großartige Korrekturen. Schreiben fällt mir leicht und hilft mir beim Sortieren meiner Gedanken. 

Ich freue mich, wenn ihr mitlest! 
Als erstes stelle ich euch das Konzept vor:

Zum Jahresthema „Resonanzen“ der St Johannis Kirche habe ich ein Kunstprojekt vor Augen, das im Wesentlichen aus drei größeren, mehrteiligen Arbeiten und optional einer kleineren Installation sowie einem Rahmenprogramm besteht. Es ist ein sehr spezifisches Werk für St Johannis und wird voraussichtlich im Herbst 2025 und Frühling 2026 in der St Johannis Kirche gezeigt werden.

Wie klingt die Gemeinde?

Was klingt von der Kirche in die Stadt hinein?

Was schwingt in uns?

Die drei Teile basieren auf der Überlegung, wie man Resonanzen, also Schall und Bewegung, die eigentlich unsichtbar und auf keinen Fall zweidimensional sind, mit bildnerischen Mitteln darstellen könnte. 

Hierbei will ich zurückgreifen auf physikalische Prinzipien, kurz zusammengefasst: Schall setzt eine schwingende Fläche in Bewegung, auf der sich feine Partikel bewegen und wird dadurch sichtbar gemacht. Das kann eine feste oder elastische Fläche sein, es kann Salz oder Sand sein. Die Muster, die die Schallwellen erzeugen, verändern sich je nach Tonhöhe, Frequenz, Obertönen etc. 

Ich möchte Pigmente verwenden, um dann den Klang der Johanniskirche abzudrucken.

Das erfolgt in drei Teilen: Mund, Herz und Lunge.

 

Teil 1 – Mund
„...und einen tausendfachen Mund“
 

Wie klingt die Gemeinde? 
Klang ist Schall, Luft, Atem. 
Ich denke da sofort an die Kirchenmusik und die Chöre. 
Wie kann man das abbilden?


Die Sänger und Sängerinnen der Stadtkantorei und Kinderchöre werden porträtiert. Ich bitte alle, die mitmachen wollen, um ihre Lieblingsfarbe und ihr Lieblinglied. Ich bitte sie, ihr Lieblingslied zu singen und fotografiere sie dabei. 


Die Photos werden von mir als kleinformatige quadratische Portraits in Öl gemalt, naturalistisch und erkennbar, aber eher angedeutet als völlig ausgearbeitet, es geht mehr um ein pars pro toto als um das Abbild eines Individuums. 
Wenn diese durchgetrocknet sind, bitte ich die Teilnehmenden zu einem zweiten Termin. Hierbei singen diese in ein Eidophon, dessen Oberfläche mit einem Pigment bedeckt ist. Das so entstehende Muster, eine bildliche Entsprechung ihrer Stimme, werde ich auf ihr Portrait drucken, indem ich das Bild vor Ort mit einem frischen Firnis versehe und mit der klebrigen Oberfläche in das Pigment drücke.

 

 

Teil 2 – Herz
"...BDF(b)"

Die zweite Sache, die in die Stadt hineinklingt, sind die Glocken von St Johannis. Es gibt viele Menschen, die sie hören, deren Leben von ihnen begleitet wird. 

Ich will diese Menschen malen und darüber den Klang der Glocken abbilden.

Es gibt drei Glocken in St Johannis (es waren einmal vier) sowie die Stunden und die Viertelstundenglocke. Die Glocken sind der Pulsschlag, das Herz. 

Drei runde Bildträger aus Holz. Darauf in Öl portraitiert Menschen, die die Glocken hören: Ein Hochzeitspaar, das aus dem Portal tritt. Der Wohnungslose an der Kirchenmauer. Die Turmbläser. 

Auf diesen Szenen will ich per großer Membran mit derselben Technik wie oben den Klang der Glocken abbilden.

Die vierte Glocke ist verloren gegangen. Sie wurde im Krieg eingeschmolzen. Ich möchte diese Leerstelle sichtbar machen: „The things we lost.“
Diese Glocke ist stumm.

 

Teil 3 – Lunge 
„...und erfüllte das ganze Haus“


Schall transportiert sich durch die Luft, wir erzeugen ihn, indem wir atmen. Atem als Inspiration, Ruach, Geist/Seele spielt eine große Rolle im christlichen Glauben. In unserer westlichen Kirchentradition ist das gemeinsame Singen ebenso geistliche Praxis wie identitätsstiftendes Gemeinschaftserlebnis. 

Die Orgel als Windinstrument soll hier für die Lunge der Kirche stehen. 

Ich möchte die Töne der einzelnen Orgelpfeifen mit einer ähnlichen Technik wie in Teil 1 und 2 zeigen. Da ich die Orgel als atmendes Instrument wahrnehme, möchte ich hier als Untergrund Baumscheiben verwenden (Bäume sind die Lunge der Erde), aus denen ein Ganzes entsteht.

Hier wird nichts abgebildet, es handelt sich um eine abstrakte Darstellung in Enkaustik. Ich werde Bienenwachs verwenden; dieses ist eine Entsprechung der Altarkerzen, die der Orgel in der Kirche gegenüberliegen, es hat einen Geruch, den viele Menschen mit Weihnachten und Kirche verbinden, es ist, wie die Baumscheiben, ein natürliches Material mit langer Tradition.

Die Oberfläche wird abschließend geglättet und der Orgelklang der einzelnen Pfeifen wieder mittels Membran in metallischem Pigment festgehalten.

 

Teil 4 – Wir
"...dass sie nicht an deine rührt"

Ein vierter Teil ist für den Teil der Kirche gedacht, in dem sich das Taufbecken befindet. Das ist kein bildnerisches Werk wie die anderen, sondern eine kleine interaktive Installation, in der die Menschen den Resonanzraum St Johannis erleben können. 

Ich möchte hier offengestanden jetzt noch nicht mehr dazu verraten. Es gibt einen Plan, aber er ist noch nicht komplett ausgereift und würde auch zu viel vorwegnehmen.

Der Titel stammt aus dem Gedicht "Liebeslied" von Rainer Maria Rilke, das sich wie ein roter Faden durch alle Teile des Projektes zieht und ich deswegen abschließend hier in Gänze zitieren möchte:

Wie soll ich meine Seele halten, dass
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiter schwingt, wenn deine Tiefen schwingen.

Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.

- Rainer Maria Rilke, 1907

 

Ich freue mich über alle, die dieses Projekt begleiten!

Ach so, und wenn ihr mich mal trefft: 
Ihr könnt mich ruhig alle duzen. ;)

 

© Jana Nielsen. Alle Rechte vorbehalten. 
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